Permakultur in der Landschaftsarchitektur und im Städtebau

In der folgenden Erläuterung wird der heutige problematische Zusammenhang der Landwirtschaft und der städtischen Struktur sehr gut verdeutlicht - am Beispiel eines selbstversorgenden Gartens in der Stadt. Hinweise auf der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ebene fliessen hiermit ein.

Erläuterung zur Permakultur von:                                                                            Berlin, Januar 1983

Declan Kennedy: Architekt, Stadtplaner und Permakultur-Designer &
Margrit Kennedy: Architektin, Stadtplanerin und Ökonomin

Um die Bedeutung des Permakulturkonzepts für Europa zu veranschaulichen könnte man sagen, es stelle alles was das jetzige Agrarsystem ausgezeichnet auf den Kopf. Anstatt landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche, wassertechnische, städtische und bauliche, räumliche und soziale Bestandteile einer Planung getrennt voneinander zu lösen — wie es heute üblich ist — zielt die Permakultur darauf hin ab, alle Elemente so miteinander zu verbinden und zu überlagern, dass Arbeits- und Energieeinsätz minimiert aber der Gesamterträge optimiert werden.

In hochverdichteten städtischen Agglomerationsräumen scheint kein Raum für ernsthafte Versuche dieser Art zu sein. Ein Blick in unsere jüngste Vergangenheit vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg belehrt uns jedoch eines besseren. Eine intensive städtische und stadtnahe Nahrungsmittelproduktion war in allen europäischen Ländern selbstverständlich. Seit den 50er Jahre sind jedoch die intensiv genutzten produktiven Gärten und Gärtnereien verschwunden bzw. in Ziergärten und Blumengärtnereien umgewandelt worden. Nahrungsmittel wurden in immer grösseren und spezialisierteren landwirtschaftlichen Betrieben und in immer grösserer Entfernung zum Konsumenten erzeugt. Die Kosten dieses "Fortschritts" (im doppelten Sinne) werden im Vergleich zum steigenden Ertrag selten erwähnt. Allein die notwendige Kunstdüngerproduktion in West Deutschland verschlingt heute mehr Energie als alle deutschen Kernkraftwerke zusammen produzieren. Durch die energieaufwendige chemische Komplettbehandlung von Obst, Gemüse und Getreide sind nicht nur Geschmack, Nährwert und zahlreiche Tier- und Pflanzenarten auf der Strecke geblieben, sondern die Zahl resistenter Schädlinge nimmt lawinenartig zu.

In Anbetracht der kommenden Nahrungsmittelkrise, deren Anzeichen gegenwärtig durch ein immenses und absurdes Agrarsubventionssystem verdeckt werden, müssen alternative Beispiele zum zentralisierten Monokulturbetrieb wie auch zur arbeitsaufwendigen Gartenkultur unserer Vorfahren geschaffen werden. Permakultursysteme zeigen wie sich jeder mit einem geringen Platz- und Zeitaufwand, aber einem neuen Verständnis für natürliche Kreisläufe, selbst versorgen und gleichzeitig Energie, Wasser und nicht erneuerbare Rohstoffe sparen kann. Obwohl die meisten Beispiele aus ländlichen Gegenden kommen, ist der Ansatz für Stadt, Vorstadt und Land gleichermassen anwendbar. Grosse Mengen ungenutzter Flächen gibt es auch in verdichteten Städten. Gärten, Fassaden, Dächer, Höfe, Strassenräume, Parkplätze und öffentliche Freiräume können umgenutzt werden und neue wirtschaftliche und soziale Zusammenschlüsse fördern, ohne dass Abriss und Neubau notwendig sind.

Unsere eigene Permakulturerfahrung seit zwei Jahren zeigt, dass in einem Garten von ca. 6m. x 12m. ca. 40% unserer Nahrung mit einem durchschnittlichen Arbeitsaufwand von 5 Minuten pro Tag zu produzieren ist, d.h. ein weit geringerer Zeitaufwand als das Einkaufen benötigt. Das beste aber ist die Frische und Qualität der Nahrung — wir haben noch nie so gut gegessen. Wir haben einen sandigen Boden auf dem angeblich nichts wachsen soll, Schatten durch hohe Bäume und geringe Erfahrung mit Gartenbau.

Wichtig ist, dass Permakultur nicht als eine neue Technik verstanden wird. Bücher über Techniken zu verschiedenen Elementen und Teilbereichen (Energie, Wasser, Luft, Grün, ökologischer Landbau, Lehmbau, Baubiologie, usw.) gibt es genug, und jeder gute Ansatz ist wichtig. Noch wichtiger aber — und sehr viel seltener deutlich beschrieben oder praktisch erprobt — sind Strategien zu deren Integration, Synthese und Überlagerung nach den zwei Grundregeln:

  1. Jedes Element oder jeder Teilbereich erfüllt mehrere Funktionen.

  2. Jede Funktion wird durch mehrere Elemente oder Teilbereich abgedeckt. Nur hierdurch lässt sich gleichzeitig eine grösstmögliche Stabilität und Flexibilität erreichen.

Die ideale Permakultur speichert Regenwasser und Sonnenenergie, nutzt sie sparsam und effektiv, verbessert die Bodenfruchtbarkeit und verwendet die Abfälle der einen Tier- und Pflanzenart als Rohstoffe für die nächste. Sie ordnet Tiere und Pflanzen so zueinander, dass ihre Bedürfnisse/ohne menschliches Zutun erfüllt sind. Das heisst, das Prinzip des Urwalds eines autonomen Ökosystems auf Nutzpflanzen und -tiere übertragen. In einem solchen System versteht sich der Mensch nicht als Meister einer kurzfristigen ausbeuterischen Profitmaximierung, sondern als Hüter und Steuermann von Zyklen und Gesetzen, die weit vor ihm entstanden sind und weit nach ihm wirken werden. Der Mensch kann die Umwelt und damit sich selbst zerstören oder er kann sie sich zunutze machen und in und mit der Natur noch lange überleben. Die Wahl scheint einfach. Doch nichts ist heute schwerer als das Einfache zu tun. Deshalb wird jeder Schritt hin zu einer dauerhaften Landwirtschaft und Kultur als kühne Tat gegen die aggressive Zerstörung und Ausbeutung der uns verbliebenen planetaren Reserven zu feiern sein.